BITTER, BITTE!
Radieschen, Spargeln, Artischocken: Viele saisonale Frühlingsgemüse enthalten gesunde
Bitterstoffe. Diese sind insbesondere bei Kindern unbeliebt. Was bittere Lebensmittel so gesund macht und wieso sie fester Bestandteil unseres Speiseplans sein sollten, erfahrt ihr im Food Talk mit tibits Ernährungsexpertin Germaine.
WIESO MÖGEN KINDER – UND VIELE ERWACHSENE – KEINE BITTEREN LEBENSMITTEL?
Bereits als Baby bevorzugen wir alles, was süss schmeckt, denn Süsses liefert Energie und erhöht die Überlebenschancen. Dieser Ur-Instinkt ist bereits im Kindesalter vorhanden. Nach der süsslich schmeckenden Muttermilch kommt bald Salziges auf den Speiseplan. Nur an den bitteren Geschmack gewöhnen wir uns spät oder nie und meiden ihn. Für Bitterstoffe enthält unsere Zunge überdies viel mehr Geschmacksknospen. Dies hat einen evolutionären Grund: Bitter signalisiert dem Gehirn, vorsichtig zu sein, weil die Bitterkeit auf giftige Pflanzen hinweisen könnte. Zudem hat sich der Geschmackssinn im Laufe der Zeit verändert. Wir bevorzugen die Geschmäcke, die von der Lebensmittelindustrie besonders oft eingesetzt werden, und mögen heute oft nur noch süsse, salzige, saure sowie scharfe Speisen. Unsere Geschmacksknospen sind durch eine moderne Ernährungsweise nicht mehr an die Aufnahme von Bitterstoffen gewöhnt. Dabei sind Bitterstoffe sehr gesund und sollten wieder ein fester Bestandteil unserer Ernährung sein.
WIESO SIND BITTERSTOFFE SO GESUND?
Bittere Lebensmittel aktivieren zunächst die Geschmacksknospen im Mund. Die Schleimhäute ziehen sich zusammen und dehnen sich wieder aus. Dies trägt zum Abtransport von Giften und Bakterien im Mundraum bei. Danach wird die Produktion von Magen- und Gallensaft angeregt, und die Darmflora verbessert sich. Bitterstoffe dämpfen das Verlangen nach Süssem und verleihen das Gefühl, rascher satt zu sein. Der Zellstoffwechsel wird angeregt, und der Körper kann wieder zu Kräften kommen. Bitterstoffe sollen zudem entzündungshemmend und basisch wirken, was sich nicht nur auf das Immunsystem, sondern auch auf das Hautbild positiv auswirken kann. Vielen sind diese wertvollen Eigenschaften nicht bewusst, obwohl wir doch Bitterstoffe aus der Medizin nur zu gut kennen. Sie werden bei verschiedenen Beschwerden wie zum Beispiel Verdauungsstörungen, Völlegefühl nach Mahlzeiten, Schwäche, Erschöpfung und chronischer Müdigkeit eingesetzt.
WAS SIND BITTERSTOFFE?
Bitterstoffe sind sekundäre Pflanzeninhaltsstoff e, also ganz natürliche Abwehrstoffe der Pflanzen. Sie sind entweder Gerbstoffe, wie wir sie klassisch im grünen Tee finden, oder Glycoside, welche in Lebensmitteln wie Rosenkohl oder Meerrettich zu finden sind. Viel saisonales Frühlingsgemüse ist reich an Bitterstoffen, so zum Beispiel Radieschen, Rucola, Chicorée, Mangold, Rettich, Endivie und Artischocken. Probiert also in diesem Frühling unsere Röstradieschen, das Rüebli-Meerrettich Mousse oder eine feine Brennnesselsuppe – diese Gerichte schmecken nicht nur fein, sondern regen dank Bitterstoffen auch eure Verdauung an. Auch viele Wildkräuter enthalten viele Bitterstoffe, so zum Beispiel Löwenzahn, Schafgarbe und Brennnesseln. Genau diese Kräuter findet ihr in unserem Wilde Hilde Smoothie mit Apfel, Kiwi, Mango und saisonalen Wildkräutern.
VIELE GEMÜSESORTEN WERDEN IMMER WENIGER BITTER GEZÜCHTET. WORAN LIEGT DAS?
Tatsächlich sind viele Menschen den bitteren Geschmack nicht mehr gewohnt und akzeptieren ihn nur als Medizin. Deshalb werden Bitterstoffe aus Obst und Gemüse oft weggezüchtet. Das ist sehr schade, denn so werden sich immer weniger Menschen an den bitteren Geschmack gewöhnen und von dessen positiven Wirkungen profitieren. Gerade in unserer heutigen Gesellschaft, wo Übergewicht ein Thema ist, wären Bitterstoffe als natürliche Appetitregler sehr hilfreich. Das Extrahieren der Bitterstoffe aus fast allen Lebensmitteln hat dazu geführt, dass wir weit über unseren Hunger hinaus essen und viel zu viele Süssigkeiten zu uns nehmen. Denn Bitterstoffe in der Nahrung würden durch ihren intensiven Geschmack für ein rasch einsetzendes Fliessen der Verdauungssäfte sorgen, wodurch auch der Sättigungsreiz beschleunigt einträte. Das beste Beispiel hierfür ist bittere Schokolade mit einem Kakaogehalt von über 70%. Während von der süssen Vollmilchschokolade durchaus mal eine halbe oder ganze Tafel in einer Heisshungerattacke verschwinden kann, wird es bei der bitteren Variante eher bei einigen Stücken bleiben.
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Im Salatblatt N°15: